Peter Engert: Nur die, die es machen. Das sind vielleicht 20 Prozent. Das ist eigentlich trist.
Taxonomie und ESG werden gerne vermischt, das ist aber vollkommen falsch. Die Taxonomie ist eine technische Aussage über ein Produkt, über eine Immobilie. Derzeit gibt es dazu sechs Punkte, irgendwann werden das mehr werden. Die Taxonomie sagt anhand klarer Kriterien, ob die Immobilie nachhaltig ist oder nicht, ja oder nein. Punkt. ESG hingegen ist eine Unternehmenshaltung, eine Strategie. Sie basiert auf der Taxonomie, ist aber viel, viel mehr. ESG betrifft das Handeln, das Wirtschaften, die Werte des Unternehmens. Hier geht es um Gleichbehandlung, Diversität, um Lieferantenketten – um viel breitere und tiefer gehende Themenstellungen, und dann um so konkrete Fragen wie: Bestelle ich weiter Produkte aus Indonesien, von denen ich weiß, dass sie mit Kinderarbeit hergestellt werden? Achte ich die Menschenrechte? Akzeptiere ich Gewerkschaften? Auch der CO2-Footprint fällt hier rein. Banales Beispiel: Bestelle ich meine Kugelschreiber regional oder vom anderen Ende der Welt? Wie gehe ich mit Dienstfahrten um? Erleichtere ich es meinen Mitarbeitern, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen?
Als Immobilienunternehmen beginne ich mit der Taxonomie. Ich kümmere mich um meine Immobilien und schaue, dass ich sie – alte wie neue – in einen guten, einen nachhaltigen Zustand bringe. Wenn das erledigt ist, kümmere ich mich um das S und das G von ESG, also ums Soziale und um die Unternehmensführung. Die Taxonomie brauche ich übrigens auch, um alle Daten für ESG zu haben.
Nur bei der Taxonomie. Zur Klarstellung: Die ÖGNI bewegt sich immer auf Objektebene, wir kennen uns bei Immobilien aus und bleiben dabei. Wir machen kein ESG. Um mit dem Ganzen zu starten, macht es Sinn, zuallererst einen ÖGNI Auditor auszusuchen und einzuladen. In der Regel wird dieser einen kostenlosen Quickcheck zur Taxonomie geben. Da hat man dann gute Orientierungspunkte.
So könnte man es sagen, ja. Bei ESG kann ich gestalten, die Taxonomie nicht.
„Die Lächerlichkeit des Österreichischen Umweltzeichens für einen grünen Fonds wird es nicht mehr geben.“
„Wir erarbeiten gemeinsam mit PwC gerade für vier Beispiel-Objekte eine Taxonomie und legen ein ESG darüber. Somit bekommt man ein Gefühl, was einem bevorsteht.“
Hier gibt es noch kein klares Raster, nein. Die ESG-Reports orientieren sich derzeit stark an den bekannten CSR-Reports, also jenen über Corporate Social Responsibility. An dessen Anfang steht immer eine Analyse, wer die Stakeholder sind. Diese werden dann befragt, es wird ein Dialog geführt. Die Antworten werden analysiert und daraus ergeben sich dann die Themen des ESG-Reports. Ein Unterschied zu CSR-Reports ist: Bei denen hat man noch ein bisschen herumschwadronieren können. Die EU hat aber Greenwashing verboten und bestraft es. Ich muss meine Nachhaltigkeitsangaben beweisen können, somit sind ESG-Berichte sehr viel valider.
Ich rate dazu, sich am Mitbewerb zu orientieren bzw. sich zu überlegen, was die Stakeholder interessiert – z. B. die finanzierenden Banken. Wenn ich denen zuhöre, weiß ich, was sie brauchen, und kann so die entsprechende Agentur aussuchen. Ich denke, von den 20 bis 30 ESG-Ratingagenturen, die es derzeit wohl in Europa gibt, werden am Ende des Tages zwei oder drei übrig bleiben. Man muss unterscheiden zwischen jenen, die bewerten – das sind eben Ratingagenturen – und jenen, die prüfen, ob das stimmt, was in meinem Bericht steht. Das sind z.B. Wirtschaftsprüfer. In Zukunft wird also derjenige, der meine Bilanz prüft, auch meinen ESG-Report attestieren.
… richtig, darum erarbeiten wir gemeinsam mit PwC gerade für vier Beispiel-Objekte eine Taxonomie und legen ein ESG darüber. Wir machen das für ein Zinshaus mit der Errichtung vor 1945, einen Plattenbau (Errichtung nach 1945), ein Bürohaus und einen modernen Wohnbau. Somit kann ein Zinshausbesitzer an dem konkreten Beispiel sehen, wie so ein Objekt in der Taxonomie bewertet wird und wie die Daten dann in ein ESG einfließen. Somit bekommt er auch ein Gefühl, was ihm bevorsteht. Die Taxonomie kommt von der ÖGNI, ESG von PwC. Bis Mai oder Juni sollten diese Benchmarks fertig sein.
Bei ESG fehlt den Unternehmen schlichtweg die Zeit. Das ist ein Prozess, der Ressourcen bindet. Ich muss den Stakeholder- Dialog führen, ich muss ihn analysieren, ich muss eine strategische Diskussion führen, welche Ziele ich verfolge, welche Daten ich messe usw. Da hat die Immobilienwirtschaft übrigens schon einen Vorteil, weil alles leicht messbar ist. Produzierende Unternehmen haben es viel schwerer, wenn sie plötzlich CO2-Flüsse auf ihre einzelnen Produkte umlegen müssen. Das ist richtig komplex.
Mit den richtigen Unterlagen ist die Taxonomie keine Hexenkunst. Aber wir haben ein Datenproblem. Beim Neubau sind wir schon weit. Wer mit der ÖGNI schon ab der Planungsphase zusammenarbeitet, dem kann in der Taxonomie nichts passieren, das ist save. Aber wir wissen, dass der Bestand die große Herausforderung ist, und hier fehlen die Daten, aus denen man lesen kann, wo ich sanieren muss. Ich gehe davon aus, dass viele Berichte, die jetzt im März ja für 2021 zu machen sind, Null-Berichte sein werden. Das ist noch nicht so dramatisch, spannend wird es ab 2023, weil sich bis dahin die europäischen Bankenaufsichten wohl darauf geeinigt haben werden, wie hoch die Eigenkapitalunterlegung für nicht nachhaltige Projekte sein muss …
… ja, der Risikoaufschlag. Aber genau deswegen ist diese Initiative der EU genial. Man wird es sich nicht leisten können, nicht nachhaltig zu sein. Natürlich ist der administrative Aufwand höher. Aber die Transparenz steigt auch, das ist schon toll. Anleger, Aktionäre, Fondszeichner haben viel mehr wirklich geprüfte Informationen. Die Lächerlichkeit des Österreichischen Umweltzeichens für einen grünen Fonds wird es nicht mehr geben.
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