Wir versilbern
TREND Demografie
Die Silver Society ist der prägendste Megatrend der kommenden drei Jahrzehnte, glauben Walter Eichinger und Thomas Morgl von Silver Living. Im Interview erklären sie, warum das Thema trotzdem zu kurz kommt und welche Wohnformen es für ältere Menschen in Zukunft geben wird.
Die demografischen Vorhersagen sind klar, trotzdem scheinen der Pflegemarkt und Seniorenimmobilien (was immer das genau ist) kaum jemanden zu interessieren. Warum, glauben Sie, ist das so?
Walter Eichinger: Im Gegensatz zu anderen Immobilienarten, die klar definiert sind, gibt es bei Seniorenimmobilien eine Vielzahl verschiedener Ausprägungsformen. Wir sprechen daher lieber von „seniorenorientierten Serviceimmobilien“, für die das Vorhandensein einer Betreuungsorganisation konstitutiv ist. Das heißt, dass neben den baulichen respektive immobilienspezifischen Voraussetzungen ein differenziertes Angebot an Serviceleistungen offeriert wird. Die Palette reicht vom klassischen barrierefreien Mehrfamilienhaus mit optionalen Serviceangeboten bis hin zu luxuriösen Modellen, die den Bewohnern ein fast hotelähnliches Serviceangebot bereitstellen.
Für Investoren vielleicht zu komplex …
Walter Eichinger: Megatrends wie die Silver Society wirken auf allen Ebenen der Gesellschaft und verändern die Welt – zwar langsam, dafür aber grundlegend und langfristig. Das trifft ebenso auf den Investmentmarkt zu, Serviceimmobilien stellen mit weit unter 10 Prozent noch immer ein Nischenprodukt im DACH-Gewerbeimmobilienmarkt dar. Allerdings handelt es sich um den interessantesten Wachstumsmarkt, tendenziell wird die Bedeutung des Marktes durch das rasante Wachstum der potenziellen Nutzergruppen kontinuierlich und nachhaltig zunehmen.
Hat die Politik Ihrer Meinung nach die Relevanz des Themas erfasst?
Walter Eichinger: Österreich entwickelt sich zu einer Gesellschaft, in der der 50. Geburtstag die Mitte des Lebens markiert. Diese Zukunft kollidiert mit den zentralen Werten der heutigen Gesellschaft, die noch an den jugendorientierten Altersbildern festhält. Die Politik hat unseres Erachtens bereits den Zeitpunkt versäumt, um die Voraussetzungen für eine adäquate Betreuung im Alter, die für jeden leistbar ist, auf den Weg zu bringen. Die neue Silver Society wird jedenfalls dem Ruf nach Urbanität folgen. Der Anspruch an die städtische Infrastruktur verändert sich dadurch grundlegend. Ein Upgrade der 24-Stunden-Betreuung an die tatsächlichen Erfordernisse sowie die gesetzliche Normierung von Mindeststandards für Betreutes Wohnen sollte die Politik sofort umsetzen.
Sie haben Ihr Büro in einer gemischt bewohnten Immobilie – Business meets Senioren. Wie fühlt sich das an?
Thomas Morgl: Das fühlt sich sehr gut an! Die Silver Living Gruppe hat seit 2016 ihren Sitz in Mödling, und im gleichen Jahr wurde die dem Büro benachbarte Seniorenresidenz eröffnet. Die dortige Hausgemeinschaft ist eine besonders aktive, man spürt als „Anrainer“ den Zusammenhalt und die Unternehmungslust und führt umso lieber Geschäftspartner durch Gemeinschaftsräume und -garten. Es kommt häufig vor, dass die Mödlinger Bewohner bei uns läuten, nicht nur um Fragen zu stellen, sondern auch, um unsere Mitarbeiter zu einem Grillnachmittag oder einer gemeinsamen Cocktailverkostung einzuladen. Auch wir kommen immer wieder gerne auf die geistig jung gebliebene Gemeinschaft zurück, so entstanden schon viele tolle Fotos, die wir sehr gerne in unseren Vermarktungsunterlagen verwenden. Voneinander lernen prägt diese ganz besondere Beziehung.
Klingt idyllisch. Welche Wohnformen sind denn in Österreich bei älteren Menschen schon akzeptiert und welche werden Ihrer Meinung nach noch kommen (müssen)?
Thomas Morgl: Sehr weit verbreitet ist das klassische Altersheim, allerdings unseren regelmäßigen Umfragen zufolge nicht gleichermaßen beliebt. Die IMAS-Studie aus 2016 zum Beispiel zeigt, dass bei Seniorinnen und Senioren die Auswahl bzw. die Notwendigkeit von Pflegeleistungen ausschlaggebend sind, sich entweder fürs Altersheim oder fürs Betreute Wohnen zu entscheiden. Pflegeleistungen lassen das Altersheim notwendig erscheinen, als Nachteile werden die Einschränkung der persönlichen Freiheit, der Verlust des persönlichen Umfelds, die Trennung von der Familie und die fehlende Selbstständigkeit genannt. Heute wird Betreutes Wohnen allerdings oft noch mit dem Altersheim verwechselt, demzufolge haben wir große Aufklärungsarbeit zu leisten. Mit dem Generationenwohnen, wo Jung und Alt zusammengebracht werden, entsteht eine neue Assetklasse, von der die junge und ältere Generation profitieren – und auch die Kommunen selbst, da die Landflucht hintangehalten wird. Investoren kommen dank attraktiver Renditen auch auf ihre Rechnung.
Und was kommt danach?
In Zukunft werden die Häuser und die gebotenen Serviceleistungen noch stärker an die zukünftigen Bedürfnisse der nächsten Generation unserer Kunden anzupassen sein. Assistenzsysteme und erweiterte Unterstützungsleistungen werden hier eine wichtige Rolle spielen.