Büros: Nach 19 Jahren ist Schluss
Alle reden vom Lebenszyklus. Wie lange dauert der denn? Von 20 bis 100 Jahre reicht die Bandbreite laut Experten. Eine wissenschaftliche Studie untersuchte empirisch, wie lange Büros wirklich genutzt werden: 19 Jahre. Das bedeutet, dass sämtliche Annahmen der Lebenszykluskosten falsch – weil zu niedrig – sind.
Man freut sich ja immer, wenn ein architektonischer Leckerbissen aus dem Boden sprießt. Wieder ein toller Officetower! Immer mehr Bürogebäude gibt es zwar, das Wachstum des Bestands insgesamt nimmt aber immer stärker ab. Vor fast zwanzig Jahren wuchs der Office-Bestand (in Deutschland) noch um 4 Prozent, 2010 nur mehr um rund 0,7 Prozent. Klar, irgendwann braucht man keine neuen Büros mehr bzw. zieht man in neue um und die alten stehen dann zur Vermietung – oder leer. Dann haben sie das Ende ihres Nutzungszyklus erreicht. Sie müssen rückgebaut werden. Aber wie lange dauert denn eigentlich so ein Lebenszyklus? Berit Offergeld ackerte sich durch die Literatur und muss zusammenfassen, dass es erhebliche Streuungen hinsichtlich dieser Länge gibt. Allgemein gelten oft 100 Jahre als richtig, für Bürogebäude dann eher 60 Jahre, wobei andere wieder von nur 20 bis 50 Jahren reden – und alle Meinungen stammen von ausgewiesenen Experten und Wissenschaftlern.
Tatsächliche Nutzung
Offergeld hat sich daher die Arbeit angetan und nachgeforscht, wie lange denn Bürogebäude wirklich genutzt werden. Sie kommt nach der eingehenden Analyse der Daten zu folgendem – doch recht überraschendem – Ergebnis: 2002 wurden Bürogebäude lediglich 15 Jahre genutzt, 2010 im Schnitt 20 Jahre. Der Durchschnitt des untersuchten Zeitraums insgesamt beträgt 19 Jahre Nutzung. Warum beginnt die Untersuchung erst 2002? Das ist einfach zu erklären, die Daten sind früher noch nicht so professionell aufbereitet worden, als dass man ein sinnvolles Ergebnis erwarten hätte können (andere Störfaktoren: siehe Kasten).
Konsequenzen
Das Ergebnis der empirischen Untersuchung ist jedenfalls prekär, beruhen doch so gut wie alle Berechnungen von Lebenszykluskosten – ob rein akademisch als Modell oder ganz konkret für Investitions-/Developmententscheidungen – auf einer Zeitspanne von über 20 Jahren, meist sogar viel mehr als diese zwei Dekaden. Bedeutet: Die errechneten Lebenszykluskosten sind viel zu niedrig bzw. sind die Renditeberechnungen und Modernisierungsintervalle – vor dem Hintergrund zurückgehender Bürobeschäftigungszahlen und eines nachlassenden Büroflächenbedarfs – falsch. Vor allem Gebäude, die nicht flexibel und nachhaltig im Sinne einer Umnutzung oder Wiederverwertbarkeit geplant wurden, haben damit ein Problem – bzw. ihre Eigentümer. Oder ihre Manager, wenn sie sich diese schlechte Nachricht nicht dem Investor überbringen trauen und somit schlecht beraten. Noch etwas hat Offergeld in ihrem Paper belegen können. Nämlich, dass die Nutzungszyklen tendenziell länger werden – bei Immobilienexperten ist hingegen die Idee, dass sie sich verkürzen würden, weit verbreitet. Die Autorin interpretiert dies als „Signal nachlassender Investitionen in den Substanzerhalt“. Was müssen Investoren, Planer und Berater nun also berücksichtigen? Sie sollten entweder so bauen, dass alles offen und flexibel bleibt und die Drittverwendungsfähigkeit auf lange Sicht gegeben ist (wobei: Hand aufs Herz, wer weiß schon, wie die Welt in 30 Jahren wirklich aussieht?) oder sie sollten beinhart monofunktionale Gebäude konzipieren. Und diese auch nach dem kurzen Nutzungszyklus wieder abreißen bzw. „rückbauen“, wie es schöner formuliert heißt.