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TREND#1 TRANSFORMATION DER STÄDTE

New York

Die große Enttäuschung

Wohnten im Jahr 2000 rund 20.900 Menschen in Downtown Manhattan, waren es 2018 schon 62.000. Heuer wird das größte Konvertierungsprojekt in der Geschichte der Stadt fertig – 566 Wohnungen anstatt Bankbüros. Das Finanzviertel hat sich komplett verändert. Eine Reportage von Heimo Rollett.

Wohnten im Jahr 2000 rund 20.900 Menschen in Downtown Manhattan, waren es 2018 schon 62.000. Heuer wird das größte Konvertierungsprojekt in der Geschichte der Stadt fertig – 566 Wohnungen anstatt Bankbüros. Das Finanzviertel hat sich komplett verändert. Eine Reportage von Heimo Rollett.

Woher hätte ich das wissen sollen? „Hier muss man wohl ein Steak essen“, beginne ich den Smalltalk schmeichelhaft. Mitten im Finanzviertel Manhattans sitze ich mit einem der größten Immobilienentwickler New Yorks im „Harry’s“, einem Restaurant, das durch Investmentbanker und Börsentrader groß wurde.
Ed neben mir schüttelt den Kopf. Es sei
schwierig, Steaks in einer sinnvollen
nachhaltigen Qualität in den USA zu bekommen. Fast alle Kühe würden mit Kraftfutter gemästet. Aber es werde besser. Ed, mit ganzem Namen Edward

Kaczmarek, überrascht mich. Ich dachte, wir machen hier auf US-Protz und New-York-Klischee. Das wollen sie mir doch verkaufen.

Ed ist Executive Vice President Design and Construction bei Macklowe
Properties und somit für das größte Konvertierungs­projektder Stadt verantwortlich.Der ehemalige Banken-Büroturm mit dem Namen One Wall Street wird in ein Wohngebäude umgewandelt, 566 Wohnungen entstehen in dem denkmalgeschützten, von Ralph Walker geplanten und ursprünglich 1931 erbauten Gebäude. Der Turm gilt mit seiner Kalk­stein­fassade als Ikone der Stadt (das Four Seasons ein paar Straßen weiter wurde dem Tower sogar exakt nachempfunden) und neuerdings als Symbol für die Transformation des Stadtteils.
Den Financial District, wie wir ihn kennen, gibt es nämlich nicht mehr.

Vergangenheit und
Zukunft: Das 9/11
Memorial zieht einen
beängstigend in
die Tiefe. Aufbauend
hingegen das
Performing Arts Center
dahinter, es steht für
des Viertels.
die Neuausrichtung
Der 50 Stockwerke hohe Turm war zum Zeitpunkt seiner Errichtung (1931) eines der höchsten Bauwerke New Yorks. Er gilt als Landmark und ist als solches auch denkmalgeschützt.
EIn weiteres Projekt des Entwicklers: Auf einer Grundfläche von 28 mal 28 Meter ragt das Gebäude 432 Park Avenue 89 Stock­werke in die Luft.

Familien statt Banken

Die Banken und Versicherungen sind entweder nach Uptown, ins billigere New Jersey oder ins Internet gezogen. Die Wohn­bevölkerung in Downtown hat sich hingegen verdreifacht. 30 Milliarden US-Dollar hat die Regierung in Parks, in Hunde­auslaufzonen, neue (Bauern-) Märkte, in die Revitalisierung der U-Bahn und die Verkehrs­infrastruktur (12 U-Bahn-Linien, 30 Buslinien, 20 Fährlinien und 28 Bikeshare-Stationen kommen hier zusammen) gesteckt. Das feuert den Eifer der Immobilien­entwickler an, die Anzahl der Apartments im Süden der Insel stieg von 20.900 im Jahr 2000 auf aktuell 35.900.
Im Red Room wartet Landis Hosterman auf mich. Es ist der prunkvolle Eingangsbereich ins One-Wall-Street-Gebäude, ein 836 m2 großes, vom Boden bis zur Decke reichendes Mosaik der Wandmalerin Hildreth Meière hebt den Raum in eine sakrale Dimension. Es wurde um 1 Million US-Dollar restauriert und wird den Eingang in die Geschäftsflächen eines noch nicht bekannt gegebenen französischen Markenartiklers bilden. Derzeit dient die glitzernde Kathedrale als Showroom für den Verkauf der Wohnungen.
Die Musterwohnungen zeigen das von Harry Macklowe, Eigentümer des Developers, mitdesignte Interieur, geben Ideen zu den unterschiedlichen Grundrissen. Studios für Singles kosten durchschnittlich 1,2 Millionen US-Dollar, will man ein eigenes Schlafzimmer, muss man schon 1,75 Millionen US-Dollar hinblättern. Wer bei den Preisen Schnappatmung bekommt, sollte sich besser nicht für die Quartiere in den ebenso gerade im Umbau befindlichen Waldorf Astoria Towers interessieren. Dass die – für New Yorker Verhältnisse tatsächlich qualitativ recht gut gebauten – One-Wall-Street-Apartments nicht für die Unterschicht sind, wird einem auch klar, wenn man der Maklerin zuhört. „Begrünte Gartenterrasse mit Loungebereichen im 39. Stockwerk, Gesellschafts- und Co-Working-Räume, Kinderspielzimmer – alles da“, erzählt Landis Hosterman und wirft sich ihre blonden langen Haare im Sekundentakt über die Schultern, als ob sie in einem Werbedreh für ein Haarspray posieren würde. Warum sie nach New York gekommen ist, frage ich sie. „Weil sich hier alles um Wettbewerb dreht, und ich bin nun mal die Beste“, lautet ihre prompte Antwort. Ich schneide mir ein Stück Selbstvertrauen als Souvenir ab und folge ihr zum Aufzug.
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Kunst alt und neu: Das Art-Deco-Mosaik im Eingang von One Wall Street wurde um 1 Mio. US-Dollar saniert (links). Virtuelle Kunstgalerien (rechts) entdecken die neue, hippe Nachbarschaft.
Selbst in New York selten: der direkte Ausblick auf den Hafen, das Meer und die Freiheitsstatue.

Ausblick statt Keller

 

Man kann es drehen und wenden, wie man will, dass sie das Pool und die Fitnessräume nicht in den Keller verbannt, sondern in den 38. und 39. Stock gehievt haben – das ist Weltklasse! Ein 270-Grad-Blick über Manhattan und den New Yorker Hafen eröffnet sich den Eigentümern, wenn sie aus dem 23 Meter langen Pool auftauchen, auch von den allgemein zugänglichen Terrassen sieht man direkt auf die Freiheitsstatue. Eine Abwechslung für jene, die ihre Wohnung in den unteren Stockwerken haben – wobei, von manchen kann man direkt in den Trading Room der Wall Street schauen, was auch unterhaltsam sein kann. Die Superlativen dieses Projekts lassen sich aber auch gut anhand der Bilder oder der Website nachverfolgen, erwähnenswert ist noch die Größe des (öffentlich zugänglichen) Fitnessclubs Life Time, der mit 6.968 m2 auf vier Stockwerken doch ambitionierte Dimensionen hat.
Wohnungseigentümer bekommen eine lebenslange Mitgliedschaft, zum Einkaufen haben sie es übrigens auch nicht weit, im Erdgeschoss des Gebäudes zieht der größte Whole Foods Market (Supermarkt-Linie von Amazon) Manhattans ein.

Alles neu

Ich bin enttäuscht. Als ich durch die Straßen spaziere, resümiere ich, dass bis auf die Verkaufslady meine Klischee-Erwartungen kaum erfüllt wurden. Rund um die Börse laufen Hipster herum, die bei Spotify oder anderen innovativen Firmen arbeiten und Jeans tragen, eine NFT-Galerie blinkt zwischen lässigen Shops und Take-aways heraus, Starkoch David Chang hat seine Momofuku Ssäm Bar justament in diesem Grätzel eröffnet und später am Abend werde ich mitten im ehemaligen Epizentrum des Kapitalismus junge Leute in improvisierten Schanigärten ihr Bier trinken sehen. 70 Schulen und fast 70.000 Studierende gebe es allein in Downtown, fällt mir die Präsentation vom Red Room ein. Ich mache mich auf, um noch New Yorker Luft in Mid- und Uptown zu schnuppern. Es riecht nach Gras. New York wird immer grüner, die High Line und die auf 280 Betonpfählen im Hudson River stehende Little Island sind tatsächlich erholsame Akzente in der zugebauten Stadt, aber der süßliche Duft kommt ja um jede Ecke! Vor einem Jahr wurde Marihuana offiziell freigegeben. New York überrascht mich immer wieder. Vielleicht ist genau das der Reiz dieser Stadt.  

https://onewallstreet.com

ÜBER DEN ENTWICKLER

Macklowe Properties wurde von Harry Macklowe gegründet und ist seit über 50 Jahren im Immo-Business aktiv – mit Höhen und Tiefen. Unter anderem hat Macklowe den berühmten Flagship Apple Store im GM Building an der Fifth Avenue Plaza entwickelt, auch der Superskyscraper 432 Park Avenue mit 426 Meter Höhe geht auf seine Kappe. Das Portfolio des Unternehmens beläuft sich auf insgesamt über 1,2 Millionen m2, mit Gewerbe- und Wohnprojekten in fast allen Teilmärkten Manhattans. Bekannt sind auch der Metropolitan Tower und 737 Park Avenue. www.mackloweproperties.com
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