Magische 7 – Grätzloasen
Öffentlichen Freiraum mit Ideen zu füllen – das ist die Aufgabe der Wiener Grätzloase. Das Aktionsprogramm der Stadt Wien und die Lokale Agenda 21 ermöglichen und unterstützen die Umsetzung von Ideen der Stadtbewohner bei der Organisation von Bewilligungen, mit fachlicher Beratung und der Finanzierung von Sachkosten. Für kleinere Aktionen stehen bis zu 4.000 Euro zur Verfügung – für besonders aufwendige und innovative Aktionen im Einzelfall bis zu 8.000 Euro. Die Ideen sind vielfältig und reichen von geldlosen Tauschbörsen über öffentliches Qigong mit anschließendem Picknick, Kochklubs, selbstgebautes Minigolf bis zu Ideensammel-Workshops und Siebdruck-Werkstätten. Wir stellen ein paar der zahlreichen, bereits realisierten Projekte vor, mehr und die genauen Bedingungen zur Förderung finden Sie auf www.grätzloase.at.
1. Brotbackofen
Erst kommen ein paar Pizzen in den Ofen. Weil der Backofen 400 Grad Celsius schafft, sind die italienischen Fladen im Nu fertig. 40 Sekunden, und schon kann gespeist werden. Danach dürfen die Brote rein, der Duft erinnert an eine Bäckerei in den frühen Morgenstunden. Bloß ist es 14 Uhr am Nachmittag und Junge wie Alte sitzen rund um den Ofen im 14. Bezirk. Sie essen und teilen Salate, hausgemachten Eistee, Nudeln, Gedanken und Gespräche. Seit diesem Sommer steht der mit Holz zu heizende Backofen auf einer kleinen Grünfläche am Wolfersberg, Rezepte für Sauerteig und Roggenbrote haben die Nachbarn schon längst untereinander ausgetauscht. Jeder darf den Ofen benützen, ein paar einfache Regeln gibt es. Eine WhatsApp-Gruppe und eine Kreidetafel informieren, wann jemand einheizt – dann braucht man nur mehr seinen Teig dazuschieben und nach rund 50 Minuten ist das eigene Brot fertig. „Die eigentliche Idee kam von meiner Nachbarin, dann haben wir das Projekt gemeinsam weiterentwickelt, und ich habe mich um die Umsetzung gekümmert. Wir brauchten das Okay von sechs Magistratsabteilungen“, erzählt Anrainer Othmar Gutdeutsch, vom „Brotberuf“ Sonderschullehrer und die treibende Kraft hinter dem Projekt. Er zeigt den Leuten, wie sie richtig einheizen, druckt Rezepte aus, koordiniert Termine. Bald wird es auch einen Brotbackkurs geben. „Die Idee ist genial“, sagt Marianne, die zuvor mit ihren Kindern gemeinsam den Teig geknetet hat und deren Tochter gerade ein Basilikumblatt aus einem der kleinen Hochbeete neben dem Ofen nascht. „Man lernt die Menschen in der Umgebung kennen und bekommt auch noch das beste Brot, das man sich nur wünschen kann.“ Mahlzeit!
2. Reumädchenplatz
Burschen erobern sich ihren öffentlichen Raum eher und leichter als Mädchen. Wie kann also ein Freiraum für Mädchen aussehen? Dieser Frage geht die Lokale Agenda 21 in Wien nach, ganz konkret soll die Neugestaltung des Reumannplatzes darauf Rücksicht nehmen. Das von der Grätzloase unterstützte Fest mit dem Titel Reumädchenplatz ist ein Baustein in der breiten Palette an Maßnahmen für die Neuplanung und vor allem auch für die Bewusstseinsbildung. Ein zentraler Aspekt dabei ist, zu zeigen, wie kraftvoll eine Gruppe, die im öffentlichen Raum meist unsichtbar ist, Platz einnehmen kann, wenn sie die Möglichkeit dazu erhält – Mädchen!
3. Adams Garten
Also, besser hätte die Adresse für dieses Projekt nicht lauten können. Ein kleines Paradies in Form eines Gartens mitten auf der Adamsgasse, gleich beim Wiener Kunst Haus ums Eck. Neben dem vielen Grün und großartigen Blumen verführten die einladenden Sitzgelegenheiten auch schon zu Jausenpausen von Arbeitern, zu Spontanbastelstunden und einem Gitarrenworkshop. Wie manche Projekte der Grätzloase steht der öffentliche Kleingarten auf einem Parkplatz und wird von den Projektinitiatoren betreut. Kommt dann natürlich gleich von allen der Einwand: Ist das nicht gefährlich, geht da nichts kaputt? „Nein, überhaupt nicht, bislang ist nichts Gröberes passiert“, versichert man bei der Grätzloase. Ein Paradies ohne Sündenfall also …
4. Trallala
Wenn Sie im Arenapark, im Stadtpark oder im Schweizergarten Lieder von ABBA oder Ambros hören, dann musiziert vielleicht gerade das Projekt „Landstraße singt“ – und Sie können einfach mitsingen, wenn Sie Lust haben. Musik belebt, vermittelt ein positives Lebensgefühl, stärkt die Psyche, den Körper und auch das Miteinander – so die Theorie. Praktisch gesehen macht es einfach Spaß, und zwar jenen, die extra zu den Singterminen hinkommen, und auch jenen Passanten, die erst neugierig beobachten und dann einstimmen. Vier Mal gab es heuer solche Singoasen, an der Gitarre zupft Ali Foeger alias Lagerfeuermann, der von „Singin’ In The Rain“ bis „Biene Maja“, von „Born To Be Wild“ bis „Zwickt’s mi“ alles im Repertoire hat. Klingt nach Stimmung.
5. Parkplatz? … Spielplatz!
An vier Sonntagen verwandelt sich der Hofer-Parkplatz zwischen Handelskai und Donau zu einem Spielplatz. Neben den üblichen Bastel-, Mal-, Musik- und Entspannungsmöglichkeiten leitete der Aktionskreis Motopädagogik Österreich an, wie man aus alten Prospekten einen Hockeyschläger baut. Bretter und Reifen auf der Bewegungsbaustelle wurden zu Gefährten zusammengeschraubt, wobei die Parkplatzrampe einen perfekten Test dafür erlaubte. „Wir sehen ständig Kinder auf den Gehsteigen mit ihren Rollern und Fahrrädern auf und ab fahren und wissen, dass es in der Umgebung eigentlich keinen Platz gibt, wo man das auch sicher machen kann“, erzählt die Initiatorin Flora Brocza in einem eigens von der Grätzloase gedrehten kurzen Video. Außerdem mache es Spaß, eine Fläche, die eigentlich ein Parkplatz für Autos ist, mit Menschen zu beleben.
6. Langer Tisch
Beim Reden kommen d’ Leut zam. Aber auch beim Genießen. Der lange Tisch in der Hirschengasse ermöglichte beides. Am 3. Juni wurde die Gasse in Mariahilf zum öffentlichen Wohn- und Esszimmer, jeder brachte etwas zum Essen, Trinken und einen Sessel mit, dann wurde getafelt. Auch wenn der Tisch um 21 Uhr wieder gemeinsam abgeräumt wurde, die Gespräche dauerten länger. Manche mit Unterbrechungen bis heute und vielleicht bis nächstes Jahr, wenn die Lokalinitiative wiederholt werden soll.
7. Gelber Garten
Die Initiatoren des gelben Gartens sind Pioniere der alternativen Parkplatznutzung. Es handelt sich um einen aus (gelben) Doka-Platten gebauten öffentlichen Schanigarten mit Pflanzen. Jeder kann Platz nehmen, vor allem die Anrainer lernen sich dadurch besser kennen. Der gelbe Garten wandert. Letztes Jahr stand er in der Kalvarienberggasse in 1170 Wien, heuer wurde er im Bezirk Neubau aufgebaut. Dort ist die Dichte an ähnlichen Projekten besonders hoch, in unmittelbarer Nachbarschaft gibt es den konsumfreien Sous-Bois-Bereich und die Salatpiraten. Der gelbe Garten ist ein Parklet, also ein Teil einer Parkspur, der zeitlich begrenzt zu einem Aufenthaltsort umgewandelt wird. So entsteht ein neuer Raum für Anrainer und Passanten, zum Plaudern oder als Ruhepause für Ältere. Insgesamt gibt es derzeit 14 von der Grätzloase unterstützte Parklets in Wien.
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