Auswege aus dem Provisionsdilemma
Rund 7.000 aktive Wohnungsmakler gibt es in Österreich. Noch. Der Maklermarkt ist dabei, sich grundlegend zu verändern. Gewinnen werden jene Büros, die sich mit klaren Kundennutzen positionieren. Wer abwartet, riskiert, auf der Strecke zu bleiben.
Die Geschichte der Maklerleistungen und deren Honorierung ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Der Klassiker lautet: Jeder will die Leistung vom Makler, keiner will sie bezahlen. Ob dieser Satz so richtig ist? Er stammt vornehmlich von den Maklern selbst. Wer sagt denn, dass der Konsument genau die Leistungen will, die der Makler anbietet? Das Dilemma liegt doch vielmehr darin, dass der Abnehmer für einen Makler zahlen muss, den er sich nicht einmal aussuchen kann und der möglicherweise seine Interessen – naja – möglicherweise vertritt. Am Ende führt das Ganze zu einer Frustration beim Kunden. Hätte er Leistungen, die er konkret wollte, bei einem Makler, den er wählen konnte, konsumiert, wären die Zufriedenheit und die Zahlungsbereitschaft von vornherein höher, weil echte Bedürfnisse befriedigt werden. Ausreden über eine mindere Leistung von Maklern und das Schlechtreden des Berufsstandes fänden dann ein Ende.
Disruption in der Wertschöpfung
Und jetzt kommen mitten in dieser Situation der Unzufriedenheit neue Anbieter daher, zerstückeln den Wertschöpfungsprozess der Immobilienvermittlung, nehmen sich einen Teilbereich heraus und gestalten ihn neu und besser. Das ist die klassische Vorgehensweise von Start-ups. Zum Beispiel Besichtigungen, die den Maklern einiges an Zeit und somit Geld kosten. In Deutschland gibt es schon eigene Dienstleister, an die man Besichtigungen auslagern kann – eine Art Personalagentur. Sind das ausgewiesene Immobilienexperten? Nein. Erwartet der Kunde die überhaupt? Auch nein. Bei der ersten Besichtigung will er einfach einmal einen Eindruck der Wohnung erhalten, weil er im Online-Inserat viel zu wenige Fotos anschauen konnte und womöglich auch die Grundrisse einfach schlecht oder gar nicht vorhanden waren. Genau hier setzen die Visualisierungsunternehmen an. Fast monatlich gibt es neue Möglichkeiten, die Räume kostengünstig schon online erlebbar zu machen und damit die aufwendigen Besichtigungen vor Ort zu verringern. Auch Matching-Plattformen selektieren schon im Vorfeld potenzielle Mieter und Käufer anhand genauer Profile und minimieren den Aufwand bzw. übernehmen sogar die Organisation der Besichtigung (siehe IMMOBILIENWIRTSCHAFT 01|2016). Aber selbst simple neue Tools wie Timum (www.timum.de) straffen die Effizienz von Besichtigungen für den Makler. So geht es mit jedem einzelnen Schritt in der Vermarktung, beginnend bei der Wertermittlung, über das Exposé bis zum Inserieren und dem Vertrag. Es sind natürlich vor allem digitale Lösungen (aber nicht nur), die die einzelnen Teilleistungen unterstützen, ersetzen oder ergänzen. Wird der Makler womöglich ganz durch Technologie ersetzt? Ja. Das wäre möglich. Klar ist das unpersönlich, aber das sind Selbstbedienungstankstellen und Online-Banking genauso. Wobei es nicht wahrscheinlich ist, wenn sich Makler der Veränderung öffnen und ihr Geschäftsmodell überdenken und neu ausrichten. Sie müssen sich ganz klar positionieren, heißt: Alleinstellungsmerkmal und Kundennutzen finden und kommunizieren.
Erste Vorreiter
Beispiele für Vorreiterbüros, die anders agieren, gibt es in Österreich schon. Ein vorausdenkendes Maklerbüro mit nur wenigen Mitarbeitern aus Niederösterreich hat zum Beispiel schon vor Jahren eine Strategie erarbeitet, um von den Online-Marktplätzen unabhängig zu werden: Seine eigene Website mit den gelisteten Immobilien sollte zur stark frequentierten Seite werden. Alles wurde darauf ausgerichtet, SEO-Optimierung, einzigartige Inhalte usw. Monat für Monat stiegen die Zugriffszahlen, heute inseriert das Büro nur mehr in zwei Fremdplattformen, eine davon (eine der großen) soll im zweiten Halbjahr 2016 gekappt werden, 2017 dann schließlich noch die letzte verbleibende. Das spart viel Geld, und die Kundenloyalität ist weit höher, wenn sie auf der Makler-eigenen Seite surfen. Eine andere Strategie, die jetzt schon gelebt wird: Richard Fetscher, Broker Owner von sechs RE/MAX-Büros, ist ehrlich und weiß, dass es in der Praxis schwierig ist, 6 Prozent Provision zu erhalten. Er überzeugt die Abgeber, die Provision zu zahlen. So kommt er im Schnitt auf 5 Prozent Provision, was laut Fetscher meist mehr ist, als wenn er von beiden (oder in gängiger Praxis nur von der Abnehmer-Seite) bezahlt wird. Ein anderes Wiener Immobilienbüro arbeitet gerade an der radikalen Kundenorientierung. Es hat unter anderem einen eigenen Makler angestellt, der ausschließlich Suchanfragen nachgeht – will heißen, er macht sich selbst für Kunden auf die Suche in anderen Netzwerken wie IMABIS oder Ähnlichem. Außerdem bastelt das Unternehmen gerade daran, dem Kunden (und wir reden hier vom Suchenden!) ein Login zu geben, damit er sich über den Fortschritt bzw. die Aktivitäten des Maklers ein Bild machen kann. So kann man Kunden zeigen, dass auch, wenn sich der Makler noch nicht mit dem richtigen Objekt gemeldet hat, er schon 30 durchgeackert hat, aber diese eben nicht dem Suchprofil entsprechen. Es gibt viele Möglichkeiten, sich zu positionieren. Wichtig dabei ist, das Internet und neue Technologien nicht als Feind zu verstehen oder nicht in ein Entweder-oder-Denken zu kippen. Jene Bereiche, die zu viel Aufwand im Geschäftsmodell darstellen, können möglicherweise digital effizienter erledigt werden.
Neue Honorarrichtlinien
Eine andere Veränderung, auf die sich Makler einstellen sollten: das Bestellerprinzip. Wer den Makler beauftragt, der soll ihn auch bezahlen, so lautet das Honorarprinzip kurz zusammengefasst. In Deutschland wurde es trotz des Widerstandes der Immobilienwirtschaft und vieler Interessenvertreter 2015 umgesetzt und gilt für Mietwohnungen. „Es ist zu erwarten, dass das Bestellerprinzip in den nächsten Jahren auch nach Österreich kommt. Von der Politik ist es erwünscht, den Konsumenten zu entlasten. Wir stehen diesem aus unserer Sicht vernünftigen Modell offen gegenüber und erwarten mittelfristig auch keine wirtschaftlichen Nachteile dadurch“, gibt sich EHL-Chef Michael Ehlmaier zuversichtlich. Fakt ist, dass sich die SPÖ ebenso wie die Grünen, die FPÖ und NEOS für ein Bestellerprinzip aussprechen, wobei die Sozialdemokraten anmerken, dass eine direkte Übernahme des deutschen Modells zu analysieren wäre, um „eventuelle Schwachstellen“ zu verhindern. Julian Schmid, Nationalratsabgeordneter der Grünen, ist ebenso optimistisch: „Die ersten Erfahrungen damit sind durchaus ermutigend, obwohl teilweise mit Entschädigungsgebühren, ungerechtfertigten Bearbeitungsgebühren oder Beauftragungsverträgen versucht wird, mögliche MieterInnen zur Kasse zu bitten, obwohl faktisch keine Beauftragung erfolgte. Ich bin der Meinung, dass eine entsprechende Regelung auch für Österreich erstrebenswert wäre.“ Auch die FPÖ kann sich das Prinzip in Österreich gut vorstellen. Der Wiener Gemeinderat und Bautensprecher der FPÖ, Alexander Paul Pawkowicz, meint: „Ich halte das Bestellerprinzip, wie es das ja für jede andere Dienstleistung in jedem anderen Marktsegment auch gibt, für das beste Vertragsmodell. Wer eine Leistung erwartet, soll dafür auch aufkommen. Ein Bestellerprinzip sagt aber nur aus, wer zahlt. Es steht der Frage des Abrechnungsmodus, also etwa Provision versus Tarifvertrag, nicht entgegen.“
Auswirkungen auf die Makler
„Knapp drei Viertel aller Makler bescheinigen dem Bestellerprinzip, praxisuntauglich zu sein, bei Vermietern liegt dieser Anteil bei 44 Prozent“, heißt es in einer Umfrage „100 Tage Bestellerprinzip“ von Immo Media Consult, ImmobilienScout24 und der Immobilien Zeitung. Weiteres Ergebnis: 55,6 Prozent sehen ihre wirtschaftliche Existenz gefährdet. Selbst wenn die Idee an sich gut ist, die Umsetzung in Deutschland war holprig. Wie gut, dass wir da unser Nachbarland wieder einmal vorreiten und Erfahrung sammeln lassen. So wie Bäcker, Greißler und der CD-Verkauf ausstarben, wenn sie sich nicht verändert hatten, trifft es auch die Immobilienvermittler. Drei Monate nach der Einführung des Bestellerprinzips in Deutschland gaben bei einer Befragung des IVD (Immobilienverband Deutschland) 18,6 Prozent an, dass sie sich bereits aus dem Vermittlungsgeschäft zurückgezogen haben oder es beabsichtigen.
Maklergebühren halbiert
Noch mehr Zahlen: 66 Prozent der deutschen Makler haben Umsatzeinbußen infolge des Bestellerprinzips, und zwar im Durchschnitt um fast 40 Prozent, jeder dritte Makler verlor über 50 Prozent an Umsatz. Auch verschwanden viele Wohnungen vom Markt, weil Makler die Finger von den Mietobjekten ließen oder weil Eigentümer in neuen Marktplätzen (Stichwort Proptechs, die durch das Bestellerprinzip angefeuert wurden) selbst ihr Glück versuchten. Wünschenswert wäre, wenn all diese Werte regelmäßig erhoben würden, denn erstens haben sich drei Monate nach der Einführung des Bestellerprinzips die Geschäftsmodelle noch nicht großflächig geändert bzw. etabliert und zweitens unterliegen die Abgeber genauso einem Lernprozess. Bei dem Online-Marktplatz Immowelt heißt es: „Zwar sind im Vorfeld des Inkrafttretens die Objektbestände etwas gesunken, da Makler mit Vermietern neue Konditionen aushandeln mussten. Knapp drei Monate später hat sich der Bestand allerdings wieder erholt. Heute verzeichnen wir sogar ein leichtes Plus bei Mietwohnungen. In der Regel braucht es also ein wenig Zeit, bis sich die Makler auf die gesetzliche Änderung eingestellt haben.“ Auch die Geschäftsführerin vom Immobilienverband Deutschland (IVD), Sun Jensch, spricht von einer Durststrecke. Langsam kämen die Eigentümer, die zuerst keinen Makler zahlen wollten, nun nämlich dahinter, dass sie die Leistungen nicht selbst erbringen wollen oder können. Tobias Kollmann, Professor für E-Business und E-Entrepreneurship an der Universität Duisburg-Essen, berichtet dazu, dass die durchschnittliche Reaktion einer Branche auf Disruptoren zwei Jahre dauert. Unter dieser Prämisse ist das Ergebnis, dass schon 17,3 Prozent der deutschen Makler an neuen Modellen arbeiteten, beachtlich.
Image verbessert sich
Positiv auch, dass das Image des Vermietungsmaklers steigt. Aus Sicht der Mieter kostet er nichts, bringt ihnen aber dennoch einen Nutzen. Und, so Sun Jensch: Jene Makler, die sich rechtzeitig auf die Veränderung eingestellt hatten und etwa die Ideen, die der Verband IVD als Leitlinien herausgebracht hatte, adaptiert haben, stehen heute auf der Gewinnerseite. Diese Büros hätten sogar deutlich mehr Nachfrage und könnten diese teilweise gar nicht abarbeiten, versichert Jensch. Die neuen Modelle reichen von Fixpreis-Paketen über stundenweise Abrechnung bis zur Konzentration auf Einzelleistungen, die wie im Restaurant mit Tarifen bepreist sind. Es bleibt jedenfalls spannend. In Österreich wie in Deutschland. Dort droht übrigens nun schon die nächste Veränderung: Das Bestellerprinzip dürfte bald auch auf den Wohnungsverkauf ausgeweitet werden, schätzen Experten. Rufe nach alternativen Systemen, wie dem Multi-Listing-Service, bei dem es zur Win-win-win-Situation (für Abgeber, Makler und Abnehmer) kommt, werden immer lauter, und mehrere Anbieter bereiten sich derzeit auch in Österreich darauf vor. Kunden sind nämlich sehr wohl bereit, zu zahlen, allerdings nicht so viel wie derzeit und für ausgewählte Leistungen/Makler.
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