Nutzerbasierte Bewertung von Büro­immobilien

Gewerbliche Immobilien können mit den klassischen Verfahren bewertet werden. Für Unternehmen mindestens genauso wichtig seien aber nutzerbasierte Bewertungen, weist Dirk Krupper in seiner Dissertation nach. Denn die Leistung der Mitarbeiter könne mit der richtigen Büroumgebung um bis zu 20 Prozent gesteigert werden.

Es sind mehrere brisante Ergebnisse, die Dirk Krupper in seiner Untersuchung für seine Doktorarbeit herausgefunden hat. Krupper wählte dabei absichtlich nicht die Perspektive eines Immobilieninvestors, sondern jene von Unternehmen, die aus einer Immobilie das Beste heraus­holen wollen – sie wollen ja schließlich ein erfolgreiches Kerngeschäft erbringen. Doch da fängt’s schon an: In seiner Unter­suchung zeigte sich, dass die Manager der Unternehmen nicht in der Lage waren, die eigenen Mitarbeiter und ihre Zufriedenheit mit der Immobilie bzw. den Arbeitsbedingungen richtig einzuschätzen. Wissenschaftlich ausgedrückt: Es gab keine nennenswerte Korrelation ­zwischen den Meinungen des Managements und denen der Mitarbeiter. Dabei freuen sich Unternehmenschefs doch immer, wenn sie übersiedeln, spart sich das Unternehmen, das seinen Mitarbeitern die neuen Räumlichkeiten als besonders modern verkauft, zumeist ordentlich Platz (also Geld) – Flächenreduktion heißt das im Chargon. „Das Management von Büroimmobilien beschränkt sich meist auf die Reduktion der Raumkosten“, mokiert Krupper. Dabei findet typischerweise keine Berücksichtigung des Trade-­off zwischen Arbeitsplatzkosten und Mitarbeiterproduktivität statt.

Nutzerbefragungen kaum wissenschaftlich

Das ließ Krupper keine Ruhe, und er untersuchte die Zusammenhänge zwischen Büroumgebung und deren Wirkungen auf Nutzer. Dies machte er u. a., indem er sogenannte Post-Occupancy-Unter­suchungen (also Nutzerbefragungen) integrierte. Bislang gäbe es zwar mehrere solche Befragungstools, wenige seien aber wissenschaftlich fundiert, erzählt Krupper der Immobilien­wirtschaft. Dabei wären die doch sinnvoll, um den Wert einer Immo­bilie für ein Unternehmen zu ­messen. Wenn man heute von Immobilien­bewertung spricht, meint man meistens die Feststellung des monetären Wertes oder eine technische Due Diligence. Aber die, um die es geht, werden meist vergessen: die Nutzer. Und Krupper wies nach, dass die ­Ergebnisse der Nutzerbewertung nicht mit dem Alter oder der Modernität der Immobilien korreliert. Auch nicht mit irgendwelchen Nachhaltigkeitszertifikaten. So ­erreichte ein modernes Büroobjekt mit einem Green-Label bei der Befragung lediglich eine durchschnittliche Zufriedenheit bei den Nutzern – also bei jenen, die darin für das Unternehmen Höchstleistungen erzielen sollen. Dabei spielt die Zufriedenheit eine entscheidende Rolle – sie spiegelt die allgemeine Wahrnehmung der Büroumgebung wider und steht in sehr enger Beziehung zur Produktivität der Büronutzer.

„Die Ergebnisse der Nutzer­­­bewertung ­korrelieren nicht mit dem Alter oder der ­Modernität der ­Immobilien. Auch nicht mit irgend­welchen Nachhaltigkeits­zertifikaten.“

Haustechnik nebensächlich

Anders gesagt: Alle legen immer besonders viel Wert auf scheinbar wichtige „Facts“ wie Heizung, Lüftung, Klima. Dabei gehe es den Nutzern nicht nur um die technischen Möglichkeiten, so ­Krupper, sondern etwa um Privatheit, also die ­visuelle oder akustische Unabhängigkeit. Ein paar Grad mehr oder weniger sind in der Regel genauso ausschlaggebend wie die räumlichen Möglichkeiten zu ruhigem, konzentriertem und vertrauli­chem Arbeiten. Deshalb wird häufig der Arbeitsbildschirm so positioniert, dass er für Dritte nicht einsehbar ist, und der Tisch möglichst weit von der Tür entfernt aufgestellt. Der Arbeitsplatz wird personalisiert durch Familienbilder, Kalender, Trophäen und Urkunden, ja selbst durch die eigene Tasse. ­Damit wird ein individuelles Territorium geschaffen, das jedem anderen sagt: Hier wohne ich! ­Sollte die Privatheit allerdings ­permanent auf der Strecke bleiben, sind die ­negativen Effekte genauso gravierend wie dauerhaft 30° C im Büro.

Die wichtigsten Erkenntnisse

Krupper hat in seiner Untersuchung ­mehrere Erkenntnisse gefunden, die ­wichtigsten sind hier zusammengefasst:
Die Büroumgebung übt signifikante ­Effekte auf Zufriedenheit mit der Arbeit, Leistungsfähigkeit und Gesundheit aus. Anhand der Ergebnisse der vorliegenden Studie lassen sich Potenziale zur Steigerung der Produktivität aufzeigen, die durch Verbesserung der Umgebungs­bedingungen im Mittel 20 Prozent ­betragen können.Die Zufriedenheit der Nutzer nimmt mit steigendem Grad der Einfluss­möglichkeiten auf die Umgebungs­bedingungen zu. Neben den Umgebungsbedingungen Licht, Lärm, Luft oder Raumklima erfahren die räumlichen Verhältnisse und die Größe des Arbeitsplatzes generell eine mindestens gleichbedeutende Wertung für die Einschätzung der Büroumgebung. Unabhängig von den identifizierten Nutzergruppen erfahren die Einschätzung der Lärmsituation, die Einschätzung der Platzverhältnisse im Büro und die Möglichkeit zum konzentrierten Arbeiten eine vergleichsweise hohe Bedeutung für die gesamte Einschätzung der Büroumgebung.Die sozialen Verhältnisse zu Kollegen und Vorgesetzten können je nach Nutzer­gruppe einen signifikanten Einfluss auf die Einschätzung der ­Büroumgebung ausüben.Die wahrgenommene Entscheidungsfreiheit bzw. Kontrolle bei der Arbeit, der Anspruch an die Tätigkeit und die zeitliche Belastung können einen ­signifikanten Einfluss auf die Einschätzung der Büroumgebung ausüben.Je mehr Zeit die Befragten im Büro verbringen, desto kritischer erscheint ihre Wahrnehmung und Bewertung der Umgebungsbedingungen. Es besteht keine signifikante Beziehung zwischen der Erfahrung mit unter­schiedlichen Bürogebäuden und der Einschätzung der Umgebungsbedingungen – wer also von einem neuen in ein älteres Gebäude wechselt, ist nicht a priori schon mal unzufrieden.Den Aspekt des Gefallens interpretieren Büronutzer aus ästhetischen Gesichtspunkten und aus Perspektive der Nutzungsfähigkeit gleichermaßen.

Unternehmen haben andere Sichtweise

Bleibt die Frage, warum Unternehmen denn so geizig sind, wenn es ums Büro geht? Erstens muss man wohl antworten: Weil sie sich des Effekts von ­Immobilien auf die Leistung, den auch Krupper aufgezeigt hat, nicht bewusst sein dürften. Als weitere Gründe lassen sich anführen, dass die Reduktionen von Mietflächen und Mietkosten vergleichsweise schnell und kalkulatorisch bzw. bilanzbuchhalterisch „sichtbar“ ausgeführt werden können. Dagegen lassen sich Einflüsse auf die Produktivität eines Nutzers oder dessen Zufriedenheit nicht ohne Weiteres quantifizieren, weil geeignete Messgrößen nur selten erhoben werden und nachhaltige Wirkungen geeigneter Maßnahmen mittel- bis langfristig auftreten, wenn sie denn überhaupt eindeutig den ­Verbesserungen in die Arbeitsumgebung zugeordnet ­werden können. Dass Korrelationen bestehen, ist jedenfalls jetzt wissenschaftlich.

Über den Autor
Dirk Krupper ­promovierte extern im Fachgebiet Immobilienwirtschaft und BauBWL des Fachbereichs Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der TU Darmstadt. Seit 2003 ist er in der Immobilienwirtschaft tätig, zuletzt als Fondsmanager eines der größten Offenen Immobilienfonds in Deutschland.
 

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