Innovation braucht einen Nutzen
Wir haben sechs innovative Personen aus der österreichischen Immobilienbranche eingeladen, gemeinsam über Fortschritt und Innovation zu diskutieren. Aber es wäre doch langweilig, gerade bei diesem Thema eine stinknormale Plauderrunde zu veranstalten.
Bunte Steinchen, eine Insel auf einem Spielfeld, ein iPad und Scheiben mit Thesen draufgedruckt. Was sollten denn die von der Immobilienwirtschaft eingeladenen Diskussionsgäste damit machen? Eigenland nennt sich diese patentierte Analysemethode, die der Unternehmensberater teamgnesda u. a. zur Findung einer Immobilienstrategie, für Projekte in der Unternehmenskultur oder im Bereich Neue Arbeitswelten einsetzt. Für die Immobilienwirtschaft hat die Projektleiterin Stefanie Scheibenecker das Planspiel ein wenig adaptiert und Thesen zum Thema Innovation ausgearbeitet. Die Thesen werden vorgelesen und die Teilnehmer stimmen ihnen zu oder lehnen sie ab, indem sie entsprechende Farbsteine – sogenannte Bodenschätze – aufs Spielfeld legen. Nachdem alle 10 zu einem Themenblock gehörende Thesen so bewertet wurden, wird diskutiert. Und es braucht nicht viel, schon plaudern alle Gäste drauflos.
Horvath: Ich halte uns für eine extrem innovationsfeindliche Branche. Klar, es gibt Ausnahmen, aber wenn man sich den Großteil der Bauträger, der Hausverwalter oder Makler ansieht, passiert bei denen seit Jahren nichts Neues.
Schuster: Sehe ich nicht so, ich halte die Immobilienbranche in Summe für recht durchschnittlich.
Reikersdorfer: In der Immobilienvermittlung und Bewertung werden Innovationen sehr stark bekämpft, und zwar von den eigenen Kollegen, die einfach am Status quo festhalten wollen. Auf die Frage, welche Vision sie für die nächsten 5 Jahre haben, antworten die: „Es soll nicht schlechter werden wie das letzte Jahr.“ Also: 80 Prozent der Makler haben gar keine Innovation. Die wollen, dass alles gleich bleibt. Sie sehen nicht, dass die Felle davonschwimmen und sie selbst schon bald nicht mehr dabei sein werden.
Pech: Keine Innovation zu haben bedeutet in unserer Branche nicht nur Stillstand, sondern Rückschritt.
Vondrus: Ich glaube, dass es in der Immobilien- und Bauwirtschaft viele sehr gute Entwicklungen gibt, die aber nur selten in den Markt finden.
Horvath: Das hat aber auch Gründe, z. B. sind Kunden bei einer Wohnung nicht bereit, neue Wohnformen oder unkonventionelle Grundrisse anzunehmen. Das ist ihnen zu heikel, weil die Oma am Küchentisch sagt: Das ist mir zu ausgeflippt, da zahl ich nicht mit. Oder die Bank rät dazu, lieber doch etwas anderes zu suchen, wo man beim Verkauf mit keinem Abschlag rechnen muss. Bei Dingen, die man für 30 Jahre oder mehr kauft, will man keine Experimente eingehen.
Pech: Wir hatten vor vielen Jahren ein innovatives Bauvorhaben mit Korkdämmung, Solarenergie, passive Nutzung der Sonnenenergie – alles in Richtung energieeffizientes Bauen und gesundes Wohnen. Aber keiner wollte die Mehrkosten zahlen. Also haben wir die Wohnungen nur vermietet und nicht verkauft. Erst als sich der Markt gedreht hat, wurde das Projekt zum Erfolg. Für einen kleinen finanzschwachen Bauträger wäre das aber schon das Aus gewesen.
Vondrus: Ich frage mich: Wenn in Wien eine Wohnungsknappheit herrscht, wirkt sich das dann negativ auf die Innovationsbereitschaft der Teilnehmer aus?
Horvath: Nein.
Vondrus: Kann man dann nicht sowieso alles verkaufen?
Horvath: Nein, die Grundstückspreise sind zu hoch, das ist das Problem, und das treibt die Innovation: Kleinere, durchdachtere Wohnungen sind ein Effekt davon.
Schuster: Innovation entsteht oft aus einem Problem heraus. In der Seestadt Aspern wurden etwa alle Flächen für den Handel einheitlich zur Vermarktung an ein gemeinsam mit Spar European Shopping Center gegründetes Tochterunternehmen vergeben, damit dieses den Prozess auch steuern kann. So etwas gab es in einem Quartier noch nie. Dass die Retailflächen über mehrere Objekte verteilt sind – also im Erdgeschoß –, war letztlich auch die Entscheidung, mit einer Stadt „der kurzen Wege“ die Verkehrsemissionen unter ein bestimmtes Niveau zu bringen. Hätten wir auf der einen Seite des Quartiers ein Einkaufszentrum und auf der anderen Seite Wohnungen geplant, dann wären halt alle mit dem Auto gefahren. Und mit gemischt genutzten Objekten stießen wir auch auf großen Widerstand – institutionelle Investoren haben lieber sortenreine Immobilien, also nur Wohn- oder nur Handelsobjekte.
Kocher: Hat diese mutige Entscheidung in der Vermarktung geholfen?
Schuster: Ja, bislang war das nur positiv.
Pech: Ich glaube nicht, dass sich ein innovatives Gebäude grundsätzlich leichter vermarkten lässt. Ein Tochterunternehmen von uns in Salzburg hat den Bewohnerinnen einer Wohnhausanlage ein Elektroauto, einen BMW i3, kostenfrei zur Verfügung gestellt. Kaum einer fährt aber damit! Trotzdem bleiben wir hartnäckig und werden weiterhin innovative Projekte angehen.
Kocher: Ich denke, man muss auch zwischen großen Konzernen und kleinen Unternehmen unterscheiden. Ein Konzern muss sich für Innovation entscheiden. Wir hingegen leben sie jeden Tag, als Start-up ist das selbstverständlich. Uns hat der Trend, dass Gesundheit in einem Objekt wichtig wird, wahnsinnig genutzt. Jetzt geht es plötzlich um die Menschen in Gebäuden, ihre Produktivität, ihr Befinden und um die Reduktion von Krankenständen etc. Und die Unternehmen suchen eine Lösung dafür. Für uns ist das ideal, weil wir das richtige Produkt für sie haben.
Vondrus: Ich habe einmal eine interessante Definition gehört: Forschung und Entwicklung wäre Umsetzung von Geld in Wissen, und Innovation ist die Umsetzung von Wissen in Geld. Für mich hat Innovation immer mit Nutzenstiftung zu tun, wie z. B. bei der Wohngesundheit.
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