Der Bunte Arbeitsmarkt
In der Immobilienwirtschaft lässt es sich gut verdienen. Sie wird vor allem von Management-Jobs geprägt, die schmierigen Glücksritter von früher sind schon längst ausgestorben.
Wolfgang Schmitzer arbeitet in der Immobilienwirtschaft. Er ist Experte für Nachnutzung von Tankstellen. Sebastian Wächter arbeitet auch im Immobilienzweig, er versucht ein Reinigungsunternehmen nach ethischen Kriterien aufzubauen. Ach ja, da wäre noch Andreas Gnesda, der Organisationen dabei berät, wenn sie ihre Unternehmenskultur und/oder ihr Büro ändern wollen. Jobs und Karrieremöglichkeiten in der Bau- und Immobilienwirtschaft sind mittlerweile so vielfältig, dass es nicht leichtfällt, sie zu kategorisieren. Früher einmal war es leicht, da gab es drei Berufe: Bauträger, Hausverwalter und Makler – und das war’s. Aber selbst diese Jobs haben sich massiv verändert und neue wie Asset Manager oder Corporate Real Estate Manager sind dazugekommen. Jedenfalls eine breite Spielwiese, um sich beruflich zu verwirklichen und auch um Geld zu verdienen. Egal wie man es dreht und wendet, die Immobilienindustrie ist eine der volkswirtschaftlich bedeutendsten.
Größter Wirtschaftszweig
Fragt man nach genauen Zahlen des Ausmaßes dieses Wirtschaftzweigs, stößt man gleich einmal auf des Pudels Kern. Es handelt sich um eine Querschnittsmaterie und daher: Wen zählt man dazu und wen nicht? Die Statistik Austria kennt in ihrer Zählung „Grundstücks- und Wohnungswesen“ sowie den „Hochbau“. Diese beiden Bereiche machten im Jahr 2013 gemeinsam einen Anteil von rund 6 Prozent am Produktionswert bzw. von rund 7 Prozent an der Bruttowertschöpfung der Gesamtwirtschaft aus. Rund 3 Prozent aller Beschäftigten (in Vollzeitäquivalenten) entfielen 2013 auf diese beiden Wirtschaftsbereiche. Hier fehlen jedenfalls noch sämtliche Berufe, die im „Investment“ oder in der Finanzierung zu finden sind, Rechtsexperten, Soziologen, Forscher, Standortverantwortliche in Unternehmen (CREM). Und auch Wolfgang Schmitzer, Sebastian Wächter und Andreas Gnesda sind in dieser Rechnung nicht berücksichtigt. Der Branchenvertreter der Wirtschaftskammer, Thomas Malloth, sagt daher auch gerne unverblümt, dass die Immobilienwirtschaft an erster Stelle in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung rangiert.
Bauträger und Asset Manager
Gerade das macht die Branche spannend: Weil es so viele Facetten gibt, so viele unterschiedliche Nischen und weil jedes Objekt ein Unikat ist. Das Wissen, das ein Top-Manager mit Überblick heute in der Immobilienwirtschaft haben muss, ist gewaltig. Sandra Schrögenauer ist eine der wenigen Headhunterinnen für diesen Sektor. Besonders stark sei in den letzten Jahren der Bedarf nach Top-Führungskräften im Bereich der Wohnbauträger gewesen, meint sie. Die Jahre davor seien Asset Manager besonders gefragt gewesen. Das war, als sich die Unternehmen aus den Neuentwicklungen zurückzogen und sich intensiver um ihren Bestand kümmerten. Sie sind Immobilien-Vermögensmanager, die im Dienste des Eigentümers auf die Liegenschaften schauen, diese verbessern oder, wenn es Sinn macht, verkaufen. Die Liste der typischen Berufsbilder (siehe Kasten) macht aber eines schnell deutlich. Die Zeiten der schmierigen, hemdsärmeligen Typen, die Immobilien entwickelt oder gehandelt haben, ist zumindest im professionellen Bereich vorbei. Die würden die Hälfte der Begriffe, mit denen die immer jünger werdenden Experten um sich werfen, nicht einmal verstehen. Forward-Darlehen? Net-Real-Income? Terminal Yield? Der Immobiliensektor wird immer akademischer, fundierter und internationaler.
Generationenwechsel
Das hängt einerseits damit zusammen, dass viele Haudegen der alten Schule sich nun in die Pension verabschieden. Zweitens fördert die Internationalität (mehr als die Hälfte der gewerblichen Immobilieninvestments in Österreich stammen aus dem Ausland) den Austausch und das Qualitätslevel. Und drittens gibt es seit rund 15 Jahren immer mehr Immobilien-Ausbildungen. „Anfänglich war das Interesse der Hochschulen an der Immobilienindustrie nicht rasend“, blickt Margret Funk, Vorstand im Österreichischen Verband der Immobilienwirtschaft (ÖVI) zurück. Die TU Wien war hier vor 20 Jahren Pionierin. „Ende der 90er ist alles dann aufgebrochen.“ Heute bieten die FH Kufstein, die FH Wiener Neustadt, die FH Wien der WKW, die TU Wien, die Donau-Uni Krems, ja sogar die BOKU und ab Herbst auch das Juridicum der Universität Wien fachspezifische Ausbildungen auf akademischem Niveau an. Die Anzahl der einzelnen von weiteren Aus- und Weiterbildungsinstitutionen angebotenen Kurse und Seminare ist beinahe unüberschaubar (siehe Kasten S. 13). Der Frauenanteil in der noch immer massiv von Männern dominierten Branche steigt zusehends, Otto Bammer vom Institut für Immobilienwirtschaft an der FH Wien beziffert die Quote in seinen Studiengängen mit 50 Prozent. Und Christian Huber von der FH Kufstein berichtet, dass die Studiengänge dreifach überbucht seien. Auf einen Absolventen kämen gerne mal drei Jobangebote, so die Lehrgangsleiter unisono. Gibt es demnach immer noch zu wenig Immo-Profis? „Für uns ist eine hochwertige Ausbildung unserer Mitarbeiter essenziell“, erzählt Johannes Endl, Vorstand der ÖRAG. „Wir beschäftigen daher – besonders in der Führungsebene – bereits etliche Absolventen diverser spezifischer Immobilienausbildungen. Von unseren 16 Führungskräften der ÖRAG Gruppe – inkl. Vorstand – sind neun Absolventen einer FH oder eines anderen akademischen Immobilienlehrganges. Unter den insgesamt ca. 175 Mitarbeitern der Gruppe haben wir mindestens 17 mit einem solchen akademischen Abschluss.“
Rustler startet interne Akademie
Die Rustler-Gruppe hat mit den Absolventen unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Geschäftsführer Michael Müller: „Wir sind ständig dahinter, Mitarbeiter zu finden. Und das ist gar nicht so leicht, weil sich das Berufsbild so breit gefächert hat. Hausverwalter zu sein, ist bei den Jungen nicht mehr so gefragt. Die Absolventen der FHs sind zwar gut, aber es fehlt ihnen die praktische Erfahrung bzw. interessieren sie sich eher für die neuen Berufsfelder wie Asset Manager etc.“ Rustler hat daher Eigeninitiative ergriffen, es gibt einen Imagefilm, der erklärt, was der Hausverwalter eigentlich so alles macht (Müller: „Viele Junge, die vom Land in die Stadt ziehen, kennen diesen Beruf ja gar nicht“), im Herbst startet zudem eine eigens konzipierte interne Akademie. In ihr sollen bis zu zehn junge Assistenten innerhalb von zwei Jahren so ausgebildet werden, dass sie einerseits problemlos die Befähigungsprüfung der WKO ablegen können und andererseits fit in der Praxis sind. „Da haben wir im Haus natürlich den Vorteil, dass die erfahrenen Profis eine Tür weiter sitzen und jederzeit gefragt werden können“, so Müller, der das Einstiegsgehalt eines Hausverwalters mit 3.200 Euro brutto angibt. Als Teamleiter komme man auf 4.500 Euro im Monat.
Personalberater
„Die nächste Generation wird umworben, die haben jetzt schon einen Vorteil und die Demografie spielt ihnen später auch noch in die Hände“, weiß auch Birgit Trofer, die lange Zeit selbst Lehrgangsleiterin an der FH Wiener Neustadt war und sich jetzt als Personalberaterin für die Branche selbstständig gemacht hat. Wie Schrögenauer auch, kennt sie sich inhaltlich in der Immobilienwirtschaft aus und verfügt über ein persönliches Netzwerk. „Ich suche nicht über Stellenanzeigen“, so Trofer. Für Jobsuchende sind die Personalberater kostenlos, Unternehmen zahlen gestaffelt – je ein Drittel des Honorars bei der Beauftragung, ein Drittel bei der Präsentation der Kandidaten und ein Drittel bei Dienstvertragsunterzeichnung. „Wir geben zusätzlich noch eine Garantie, sollte ein Kandidat nicht passen und entlassen werden, wird abermals weitergesucht. So lange, bis ein geeigneter gefunden wird“, erzählt Sandra Schrögenauer von Amrop Jenewein.
Gehälter schwanken
So inhomogen die Immobilienbranche ist, so unterschiedlich sind die Karrierechancen und die Bezahlungen. Vor allem bei erfolgsabhängigen Entlohnungen wie beim Maklerberuf sind Einschätzungen schwer zu treffen. Die Plattform Gehalt.de spricht etwa von einem Jahresbruttogehalt von 44.400 Euro – als Mittelwert. Der Michael Page Property & Construction Report kommt hingegen auf 45.000 bis 60.000 Euro für Makler ohne Leitungsfunktion. Nach der Erfahrung von Experten hätten sich übrigens die österreichischen Gehälter den deutschen angenähert, lediglich bei Projekten und Unternehmen, die eine deutlich größere Dimension haben, sollte man bei den deutschen Zahlen einen Abschlag rechnen. Aber auch weil sich derzeit in Deutschland die Investments nur so überschlagen. Einerseits seien gute Leute daher schwer zu bekommen, meint Robert Neumüller von der S Immo Germany, andererseits zögen nach wie vor viele Menschen nach Berlin – und suchten danach erst einen Job. „Es gibt wahrscheinlich keine andere Industrie mit Ausnahme von Mergers & Acquisition, die so konjunkturabhängig ist“, bestätigt Sandra Schrögenauer die Abhängigkeit des Jobmarktes von der Wirtschaftslage. Weil die S Immo beispielsweise derzeit in Berlin ordentlich Gas gibt, stockten sie massiv auf. In der Zentrale in Wien hingegen bleibt man eher schlank. „In Wien besetzen wir derzeit nur eine Junior-Position für Unternehmenskommunikation und Investor Relations. Anforderungen hierfür sind eine akademische Ausbildung und Flexibilität. Ich finde, das ist der perfekte erste Job nach der Ausbildung. Man kann in alle Abteilungen reinschnuppern, eine Immobilien AG, wie wir sie sind, ist da ja doch recht vielfältig“, erzählt Bosko Skoko, Chef der Unternehmenskommunikation der S Immo AG. Anders als bei der Generation Praktikum werden solche Jobs auch vernünftig bezahlt. Berufseinsteiger ohne akademischen Abschluss müssen freilich mit weniger Geld rechnen. Sie starten in Unternehmen mit bis zu 100 Mitarbeitern im Schnitt mit 26.600 Euro, so eine Studie von Gehalt.de. In jedem Fall lassen sich in dem Wirtschaftszweig große Karrieren starten. Ob man einen klassischen Immobilienberuf verfolgt, sich auf die immer wichtiger werdenden Funktionen in Unternehmen (die immer professioneller mit ihren Immobilien umgehen) konzentriert oder eine ganz eigene, kreative Nische findet und sich als Berater selbst neu erfindet, bleibt jedem selbst überlassen. Auch wenn innen oft grauer Beton steckt, die Immobilienbranche ist bunter denn je.