Prognosen zur Zukunft der Immobilienwirtschaft

Bleibt Wohnen ein Investmentthema? Wie viel Risiko werden Entwickler in Zukunft nehmen müssen, und werden sie das in CEE tun? Der Vorstandsvorsitzende der UBM, Karl Bier, gilt als verlässlicher Experte und gibt mit diesen 10 Thesen eine fundierte Prognose zur Zukunft des Marktes ab.

London

London als warnendes Beispiel für die urbane Entwicklung.

1. Wohnpotenzial im Osten und Ende der Monokulturen

„Wohnen wird wichtiger. Der Anteil der Wohnungskosten am Einkommen wird daher zunehmen“, ist UBM-Vorstandsvorsitzender Karl Bier überzeugt: „Auch in den ehemaligen Ostblockländern bekommt das neue Lebensgefühl Wohnen immer höhere Bedeutung. Hier besteht hoher Nachhol­bedarf, der die nächsten 20 Jahre für Impulse sorgen wird. Geht man von einer halbwegs stabilen Konjunktur aus, wird sich für Entwickler ein enormes Potenzial ergeben. Wegen des Nachhol­bedarfs könnte die Produktion dort in den nächsten zwei Jahrzehnten höhere Zuwachsraten als im Westen aufweisen.“ Verdichtung und Ausbreitung der Städte bedeuten auch für Stadtplaner neue Herausforderungen. So sieht Bier etwa Mononutzungen wie Schlafstadt oder Gewerbegebiet als Auslaufmodelle an – gelte es doch, ein mit der städtischen Ausdehnung steigendes Verkehrs­aufkommen einzudämmen. „Um das Entstehen von sozialen Problemen zu ­vermeiden, sollte die Kommunalpolitik die Regeln für Aufzonung und Ver­dichtung überarbeiten und Fördermodelle entwickeln“, rät der UBM-Vorstand.

2. Büro: Quantität vs. Qualität

Dieses Duell geht ganz klar zugunsten der Qualität aus, ist sich Bier sicher. In vielen ­Regionen ist der Bedarf an Büro­flächen gegenwärtig gedeckt. Wie lange die Marktsättigung anhalten wird, ist von der Konjunktur abhängig. Ein theoretischer Mehrbedarf infolge geringen Wirtschaftswachstums würde aber durch ­Rationalisierung oder neue Arbeits­formen kompensiert. Trotzdem gibt es in West- und Zentraleuropa zahl­reiche vielversprechende Regionen mit guter Konjunktur. Bier nennt in Deutschland die Ballungsräume Frankfurt und München, in Polen Warschau und das oberschlesische Industriegebiet und in Frankreich den Großraum von Paris, dessen Wirtschaft sich immer mehr vom Rest des Landes abkoppelt. Das Auseinanderdriften der Wirtschaftsräume werde in Zukunft eine feinere Streuung der Veranlagungen erfordern. Es wäre nicht verwunderlich, so Bier, wenn sich im Zuge dieser Neuorientierung ­regional begrenzte Themenfonds zu einem Renner entwickeln.

Hotel Daniel

Klassisches Umnutzungs­beispiel in Wien: Dort, wo Motorola seine Büros hatte, können nun designaffine Gäste im Hotel Daniel übernachten.

3. Verdrängung und Umnutzung

„Wo es kein echtes Wachstum gibt, wird die Vermietung von Neuentwicklungen zu Lasten bestehender Immobilien gehen“, prophezeit Bier. Der Bedarf an neuen Büroflächen, welche neue Arbeitsformen aufgrund ihrer Konzeption und Flexibilität zulassen, werde zu einem kleinen Bauboom führen, während die 70er- und 80er-Büroflächen zu­nehmend umgenutzt werden müssen. Entwickler werden mit Neubauten nicht mehr das Auslangen finden, sondern sollten entsprechendes Know-how in den Bereichen ­Refurbishment und ökologische Ertüchtigung aufbauen.

4. No risk – no fun

Auch was das Anlageverhalten betrifft, stehen Veränderungen ins Haus. Bier rechnet mit einer Erhöhung der Risikobereitschaft und nennt als Beispiel die Assetklasse ­Hotel: Dort übernehmen Investoren in Form von Betreibermodellen vermehrt unternehmerisches Risiko bewusst mit. „Entwickler werden, um Betreibermodelle zu kreieren, Branchen­kompetenz aufbauen müssen. Ein Development endet nicht mehr mit dem Verkauf – der zeitliche und materielle Umfang der Betreuung nimmt zu“, erläutert Bier die Konsequenz. Auch wenn laut Bier eher davon auszugehen ist, dass sich der Höhenflug der Immobilien langsam, aber sicher auch bei erstklassigen Objekten tendenziell einbremsen wird, dürften die Renditen bei Core-Immobilien auf vielen westeuropäischen Immobilienmärkten noch weiter sinken. Dies vor allem dann, wenn die Zinsen – wie derzeit eher zu erwarten – weiter niedrig bleiben. Der Hintergrund ist, dass vielfach eben viel zu wenig neue Objekte auf den Markt kommen und daher die Preise für gewerbliche Immobilien noch weiter steigen. Diese – naturgemäß für marktorientierte Immobilienentwickler durchaus erfreuliche – Entwicklung mache auch den Weg für die Sekundär­märkte frei. Die Talfahrt der Renditen dürfte nämlich nicht nur auf die Core­-Märkte und -segmente beschränkt bleiben, denn: Die „tiefe Kluft“ zwischen erstrangigen und zweitrangigen ­Märkten beziehungsweise Assets schließt sich langsam. Umkehrschluss: Abseits der Trampelpfade gibt es zumindest kurzfristig durchaus noch Renditeschnäppchen. „Alles in allem ist somit davon auszugehen, dass das hohe Preisniveau der gewerblichen Immobilien zumindest auf den meisten ­Märkten absehbar nicht einbrechen, sondern im Gegenteil noch weiter ansteigen dürfte“, resümiert Bier. „Investoren werden sich ­damit auf absehbare Zeit mit relativ niedrigen Renditen ­zufriedengeben müssen, wer höhere Erträge will, wird nicht umhin kommen, auch mehr Risiko in Kauf zu nehmen, wie durch das Eingehen unternehmerischer Mitverantwortung.

Einkaufszentrum

Der Markt für Einkaufszentren ist dicht.

5. EKZ: Im Westen nichts Neues

„In Westeuropa ist mit keiner wesentlichen ­Vermehrung großer Einkaufszentren-­Standorte zu rechnen“, erklärt Bier. Vielmehr gewinne Erneuerung und Attraktivierung der bestehenden Retail-Flächen an Bedeutung. „Eine anspruchsvolle Aufgabe für engagierte Entwickler. Retail wird auch weiterhin als anspruchsvolle Assetklasse gelten“, ist er überzeugt und fügt hinzu: „Die aber entschädigt.“ Voraussetzung für eine gute ­Rendite sei jedoch auch hier, dass der Entwickler die Immobilie bis zur Markt­reife selbst betreibt. Das könne durchaus 5 bis 10 Jahre in Anspruch nehmen, mache sich aber bezahlt. „Wer sich nur aufs Bauen beschränkt, wird einen großen Teil der Wert­schöpfung verschenken.“

6. Sicherheit ist relativ

Die größte Herausforderung der nächsten Jahre für Investoren und Entwickler wird von den Kapitalmärkten herrühren. Sollten die Zinsen auf dem historischen Tiefstand bleiben, wird mehr Kapital in Immobilien fließen, als sie wirklich aufnehmen können. Der Veran­lagungsdruck wird die Renditen weiter absenken, was das Rückschlagpotenzial deutlich erhöht und den Nimbus „Sicherheit“ relativieren könnte. Biers Marktprognose fällt aber in Summe durchaus positiv aus: „Zentraleuropa, vor allem Polen und ­Tschechien, erholt sich, und in Deutschland wird der Wohnungsmarkt weiter boomen. Blasenbildung ist im Wohnsegment nicht zu erkennen, weil die Käufe Privater mit Eigenkapital unterlegt sind und die Wanderungsbewegung in Ballungsräume die Nachfrage hoch hält. Auch der Finanzsektor wird schneller, als man heute erwartet, wieder in Ordnung kommen. Das Geld wird freilich nie wieder so locker sitzen wie vor der Subprime-Krise. Um in Zukunft als Entwickler bestehen zu können, ist Kapitalmarktfähigkeit unbedingte Voraussetzung.“

7. Das Internet formt den Handel

Onlinehandel, Technologie-Cluster aus Biotechnologie, Energie­branche, Social Media, Rechenzentren und ­Cloudcomputing – all das wird die Arbeitswelt und den Handel massiv beeinflussen, lautet Karl Biers These zur Technologisierung. Daran muss sich auch die Immobilienbranche anpassen. Als Langfristtrend im Retail-Sektor ortet er eine Konzentration der Einzelhandelsflächen auf wenige Hotspots, ansonsten werden sie sich eher ausdünnen. Somit gilt es auch in Zukunft, Veranlagungen in sekundäre Geschäftsstraßen zu meiden. Dafür werden Onlineversand-Anbieter wie Zalando oder Amazon für einen steigenden Bedarf an Logistikflächen sorgen.

Zinshaus in bester Lage

Ein Zinshaus in bester Lage braucht keinen Nachhaltigkeits­ausweis.

8. Nicht nur Zertifikate entscheiden

Gebäudezertifizierungen würden laut Karl Bier in Zukunft ­weiterhin im Trend bleiben, schon alleine wegen der Angst vor einer Ökologisierung des Steuer­systems. „Um ethisch einwandfreie und politisch korrekte Veranlagungen anbieten zu können, wird es zahl­reiche zusätzliche Auflagen von der Fonds­industrie an die Entwickler geben“, prognostiziert Bier. Es werde aber sicher nicht so sein, dass ­Investoren nur noch nachhaltige Objekte kaufen. Bier: „In ­Österreich bringen Innenstadtlagen die ­höchsten Preise und nicht die zertifizierten Neu­bauten. Wenn ­jemand eine repräsenta­tive Lage haben will, dann ist er bereit, mehr zu zahlen. Da ist es relativ ­irrelevant, welchen Energieverbrauch das Haus hat.“ Im Wohnbereich werden die Zertifizierungssysteme nicht reüssieren können, glaubt Bier. Private können den Marketing­instrumenten auch in ­Zukunft nichts ­abgewinnen. Sie werden sich weiterhin an hand­festen Argumenten wie beispielsweise ­Heizkosten ­orientieren.

9. Nachhaltigkeit: eine Frage der Wirtschaftlichkeit

„Die Erstinvestitionskosten seien zwar tendenziell höher, dafür fallen aber die Lebenszykluskosten geringer aus“, rechnet Karl Bier vor. Ein anfänglicher Mehraufwand von durchschnittlich 5 Prozent der Bausumme macht sich demnach rasch bezahlt. „Es gibt aber noch viele Vorteile, die nicht ohne Weiteres monetär bewertet werden können. So wird durch Verwendung schadstofffreier Baustoffe ein gesundes Arbeitsumfeld geschaffen. Das trägt zur Zufriedenheit der dort Beschäftigten bei.“

10. Soziale Kompetenzen aufbauen

Mieter und Wohnungseigentümer der Zukunft sind mobil, aktiv und im Durchschnitt deutlich älter als heute. Jetzt schon liegt die Lebenserwartung in Österreich bei über 80 Jahren, bis 2020 wird sich der Anteil der über 65-Jährigen auf 20 Prozent erhöhen. Damit wird die Bedeutung von altersgerechten Wohnimmobilien enorm zunehmen. Die Branche wird unterschiedliche Formen des betreuten Wohnens entwickeln. Auch hier gibt Karl Bier eine Prognose ab: „Seniorenresidenzen werden den Markt bis 2030 buchstäblich revolutionieren. Bei Größe und Ausstattung werden Entwickler, der alternden Bevölkerung wegen, Mehrgenerationslösungen oder der Integration von Pflege und Betreuung mehr Beachtung als bisher zumessen müssen.“

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