JETZT EROBERT BREEAM ÖSTERREICH

BREEAM ist das älteste Zertifizierungssystem für nach­­haltige Gebäude. In Österreich führte es bislang ein stief­mütterliches Dasein. Das ändert sich nun. Die ersten Bestandszertifizierungen sind bereits umgesetzt. Simone Lakenbrink, Geschäftsführende Gesellschafterin des DIFNI, erklärt, was alles noch kommt.

Seit Kurzem haben Sie mit BREEAM Österreich entdeckt. Was passiert da genau?

­Lakenbrink: Mit der Gründung des DIFNI, des Deutschen ­Privaten Instituts für Nachhaltige Immobilienwirtschaft, startete im Sommer 2012 die Adaption des BREEAM In-Use International für den deutschen Markt. An der sogenannten Pilotphase nahm auch ein Projekt in Wien teil. Der City Point Wien wurde mit dem ersten BREEAM DE Bestand Zertifikat in Österreich ausgezeichnet. Die Adaption von BREEAM DE auf BREEAM AT Bestand war nur noch ein kleiner Schritt und wurde in der Pilotphase mit sechs Projekten in Österreich erfolgreich getestet. Seit Oktober 2013 ist die Pilotphase mit steigender Nachfrage abgeschlossen, die ersten Projekte sind bereits für die Marktversion registriert.

Ist DIFNI nur für BREEAM In-Use zuständig oder auch für Neubau-Zertifizierungen in Österreich? ­

­Lakenbrink: Grundsätzlich ist DIFNI für die Adaption aller Systeme zuständig, das DIFNI hat mit Bestand gestartet und wird zukünftig analog zur Adaption in Deutschland auch für ­Österreich weitere Systeme adaptieren, u. a. auch Neubau.

Der Bestand ist ja heterogen. Wie kann man da die Gebäude miteinander vergleichen? ­

­Lakenbrink:Die Bewertungskriterien von BREEAM Bestand beziehen sich auf alle gewerblichen Immobilien. Zertifikate können für drei unterschiedliche Teile verliehen werden: Teil 1 bewertet das Gebäude mit seinen technischen Anlagen, Teil 2 den Gebäudebetrieb und Teil 3 den Mieter. Die Kriterien sind auf gewerbliche Immobilien zugeschnitten, die Benchmark für Energieverbräuche richtet sich nach der Nutzungsart. Mit diesen Voraussetzungen und Anforderungen ist eine einheitliche Bewertung möglich und einfach in der Anwendung. Ins­besondere im Hinblick auf gemischt genutzte Immobilien und ganze Portfolien mit unterschiedlich genutzten Objekten bietet das System diesen Vorteil.

Wie viele Projekte sind derzeit in Österreich zertifiziert und wie viele befinden sich in Vorzertifizierung?

­Lakenbrink: Nach BREEAM In-Use sind zurzeit zwölf Objekte in Österreich zertifiziert, weitere zwölf Projekte sind registriert und befinden sich gerade im Audit. Da im Bestand eine reine Zustandsbewertung zertifiziert wird, erfolgt keine Vergabe von Vorzertifikaten.

Die Gebäude von heute sind morgen auch schon wieder alt. Gibt es Re-Zertifizierungen? ­

­Lakenbrink: Das System BREEAM Bestand zielt sowohl auf eine erste Zustandsbewertung als auch auf jährliche Über­prüfungen (Re-Zertifizierung) insbesondere im Hinblick auf Optimierungen ab. Vom Prinzip erfolgt eine jährliche Re-Zertifizierung, jedoch mit der Möglichkeit, den gleichgebliebenen Zustand zwei Jahre zu bestätigen, in Jahr 3 erfolgt eine vollständige Re-Zertifizierung inkl. Ortsbegehung. Dieses Prinzip ermöglicht es, in den Re-Zertifizierungszyklen Optimierungen an Gebäude und Management vorzunehmen und somit die Nachhaltigkeits-Performance in Form von sich verbessernden Bewertungen darzustellen.

Wie viele Auditoren gibt es in Österreich, was ist an Ausbildung noch geplant?

­Lakenbrink:Eine klare Zahl zu nennen ist ein wenig schwierig, da alle BREEAM DE Auditoren auch in Österreich auditieren dürfen. Zuzüglich der drei Auditoren, die in Österreich ­ansässig sind, gibt es 37 lizenzierte deutsche Auditoren. Die Lizenz des BREEAM Bestand Auditors kann auf unterschiedliche Art erworben werden: Zum einen werden diejenigen Auditoren anerkannt, die bereits vor der Gründung des DIFNI bzw. BREEAM AT Bestand die Qualifikation zum BREEAM In-Use International Auditor erworben haben. Anerkannt werden auch BREEAM In-Use Auditoren, die ihre Qualifikation in den BREEAM-Länder­vertretungen in den Niederlanden, Spanien, Norwegen oder Schweden erworben haben. Dieses Vorgehen folgt der Strategie der gegenseitigen europäischen Anerkennung von Auditoren insbesondere vor dem Hintergrund der grenzüberschreitenden Port­folio-Zertifizierung. Nicht zuletzt qualifiziert eine Ausbildung beim DIFNI zum BREEAM Bestand Auditor für Deutschland, Österreich und international. Die Ausbildungen erfolgen mindestens halbjährlich, die Teilnehmerzahl ist auf maximal 15 Personen begrenzt.

Fließen bei BREEAM auch Faktoren wie soziale Nachhaltigkeit oder die Aufenthaltsqualität mit ein? Das große Problem hierbei ist doch die Operationalisierung? ­

­Lakenbrink: BREEAM Bestand berücksichtigt alle drei ­Säulen der Nachhaltigkeit: Ökologie, Ökonomie und Sozio­kulturelle Faktoren. Neben visuellem, akustischem und thermischem Komfort werden auch die Qualität des Außenraums sowie die Aufenthalts- sowie bauökologische Qualitäten bewertet. Die Sicherstellung dieser und weiterer Qualitäten erfolgt insbesondere durch den Teil 2 Gebäudebetrieb. Die Zielsetzung, Umsetzung und Überprüfung von Richtlinien und Strategien zum Beispiel des Facility Managements trägt zur Qualitäts­sicherung bei. Eine Zertifizierung im Teil 2 ist optional, jedoch aus den Erfahrungen im Umgang mit BREEAM Bestand der Teil, in dem die höchsten Optimierungspotenziale schlummern, die nach Umsetzung auch in älteren Gebäuden die Nachhaltigkeit sicherstellen können.


Die Bluecard soll ins MRG

Die Österreichische Gesellschaft für Nachhaltige Immobilien­wirtschaft (ÖGNI) stellt für Bestandsgebäude als Nach­haltigkeitsnachweis sogenannte Bluecards aus. ÖGNI-Präsident ­Philipp Kaufmann versucht das Konzept zu erklären und wünscht sich, dass die Bluecard im Mietrechtsgesetz eine Rolle spielt.

Wie viele Bluecards sind in Österreich bereits ausgestellt?

­Kaufmann: Derzeit sind 17 Gebäude mit der Bluecard in ­Österreich zertifiziert, und wir haben das größte Wachstum in der Anmeldung von Bluecards.

Die Bluecard gibt eigentlich nur an, ob ein Gebäude nachhaltig ist oder nicht. Warum gibt es dabei keine Verbesserungsvorschläge?

­Kaufmann: Die angesprochenen Vorschläge sind der zentrale Hebel für die Verbesserung des Bestandes – wie wir wissen, liegt im Bestand der Schlüssel, und mit der derzeitigen Sanierungsrate sind wir von den Zielen meilenweit entfernt. Für diese Maßnahmen ist jedoch eine Erfassung des Ist-Zustandes unbedingt notwendig, und dies soll und kann die Bluecard leisten. In der Praxis gilt es im Bestand diejenigen Aktivitäten zu identifizieren, mit denen ich über den gesamten Bestand den größten Hebel habe. Gleichzeitig gilt es, Mindeststandards zu definieren und gesichert einzuhalten. Genau diese zwei Orientierungen erfüllt die Bluecard und bietet darüber hinaus ein „Marketing­instrument“ für alle Stakeholder. Erst wenn der Zustand erhoben ist, beginnt der Kreislauf hin zu einer laufenden Verbesserung.

Worin unterscheidet sich die Bluecard von BREEAM In-Use oder Leed In-Use?

­Kaufmann: Das System ist durch und durch an österreichische Rahmenbedingungen angepasst: Im Gegensatz zu ­BREEAM und LEED sind wir Partner von klima:aktiv und erfüllen die Basiskriterien 2011. Und mit der Entwicklung der Bluecard ist es doch schön, wenn wir aus Österreich heraus internationale Entwicklungen vorantreiben, oder?

Ab wann zählt ein Gebäude denn bei Ihnen als Bestand? Auch das Sofitel oder Europlaza F haben eine Bluecard.

­Kaufmann: Der Bestand beginnt am Tag der Eröffnung und mit Beginn der Nutzung. Mit diesem Stichtag zeigt sich, wie gut die Planung und (Bau-)Ausführung war – gleichzeitig gibt es im Bestand neue Qualitäten und Aufgabenstellungen, wie die des Objektmanagements, der Umsetzung der Konzepte aus der Projektentwicklung, der Pflege der Daten bzw. dem Monitoring. Gerade wegen dieser Unterschiede war es notwendig, neben den Zertifizierungs­systemen für das nachhaltige Bauen etwas Neues für die Bewirtschaftung zu entwickeln. Dies haben die ÖGNI-­Mitglieder gemacht und bieten mit der Bluecard ein Management-Tool für die Bewirtschaftung, fürs Portfolio an. Für die Anwendung gilt, dass die Betriebsgenehmigung mehr als drei Jahre zurückliegen muss.

Was meinen Sie mit Anwendung?

­Kaufmann: Mit der Anwendung ist die Bluecard gemeint. Wir haben als Vorgabe, dass die Immobilie drei Jahre alt sein muss. Wir knüpfen dies an die Betriebsgenehmigung. Wobei es auch Immobilien gibt, die bereits davor das System anwenden, jedoch erhalten diese dann keine Bluecard.

Ist es nicht schwierig, unterschiedliche Gebäude, wie sie im Bestand vorzufinden sind, einheitlich zu bewerten?

­Kaufmann: Ja, dieses Thema hat die Arbeitsgruppe intensiv beschäftigt. Aber ich glaube, wir haben hier gute Antworten erarbeitet. Beim Bestand stellt sich immer die Frage, welche Qualitäten vorhanden sind; im Gegensatz zum Neubau, wo eine Bau- und Ausstattungsbeschreibung genaue Informationen liefert (und auch diese sind oft nicht vollständig und aussage­kräftig), tappen wir beim Bestand alleine schon wegen der oft nicht vorhandenen Pläne im Dunkeln. Und hier setzen wir an: Wir brauchen Pläne, wir bewerten Prozesse und dokumentieren, ob Mindestqualitäten, wie zum Beispiel bei der Innenraumluft, vorhanden sind.

Fließen bei der Bluecard auch Faktoren wie soziale Nachhaltigkeit oder die Aufenthaltsqualität mit ein? Wie werden die operationalisiert?

­Kaufmann: Die Bluecard in der DGNB-Systematik bietet in der sozialen Nachhaltigkeit einen umfassenden Kriterien­satz; so werden u. a. der thermische, akustische bzw. visuelle Komfort, die Einflussmöglichkeit des Nutzers, die Außenraumgestaltung oder die Innenraumluftqualität berücksichtigt.

Ist eine Re-Zertifizierung vorgesehen?

­Kaufmann: Ja, alle 5 Jahre. Und dieser Punkt ist ein zentraler Ansatz, da die Aussage im Gegensatz zum nachhaltigen Bauen nicht für immer gilt, sondern für einen bestimmten Zeitraum.

Wenn wir wissen: „Okay, dieses oder jenes Bestandsgebäude ist nachhaltig“ – was passiert dann danach?

­Kaufmann: Die Entwicklung soll dazu führen, dass der Gesetz­geber diesen guten Bestand mit dem Neubau im Mietrechtsgesetz bei der Mietzinsbildung rechtlich gleichsetzt. So soll anstelle des Datums der Baugenehmigung das verjüngte Baujahr herangezogen werden. In der Immobilienbewertung hat sich dieser Ansatz schon längst durchgesetzt, und auch in der Immobilienfinanzierung spielt nicht die Baugenehmigung die entscheidende Rolle. Mit dieser Gesetzesänderung kann die Immobilienwirtschaft entfesselt werden und der Bestand wird dank Sanierung nachhaltig. Die Entscheidung ist gefallen, dass in der nächsten Version der Verbrauch als zentrale Stellgröße berücksichtigt wird.

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